Das trifft defnitiv auch auf die Kultur der Quechuas zu, welche für mich oft unverständlich, rätselhaft und teilweise auch schrecklich erscheint. Wie dankbar bin ich für all die Leute, die mir „ihre Kultur“ näher bringen und erklären. Natürlich können die Gewohnheiten von Region zu Region stark varieren und auch die Intensität mit der sie gelebt werden (vor allem auf dem Land). Trotzdem hier ein winziger erster „Einblick“:

Wenn es ums Essen geht, so bekommt der Mann als erster etwas, gefolgt von der Ehefrau und danach die Kinder, schön dem Alter entsprechend. Die Jüngsten bekommen also das, was übrigbleibt. So ein bisschen nach dem Gesetz des Stärkeren.

Was mir immer wieder auffällt (vor allem auf dem Cerro) ist, dass die Kinder von ihren Eltern nicht wirklich wahrgenommen werden und ihnen mit Gleichgültigkeit begegnet wird. Eysel (eine Freundin, deren Ehemann stark quechuamässig erzogen wurde) bestätigte meine Beobachtungen und erklärte mir, dass die Kinder eigentlich ohne Liebe aufwachsen. Sie hören nie ein „ich habe dich lieb“, bekommen nie eine Umarmung von ihren Eltern. Jegliche Art von Zuneigung ist praktisch inexistent. Sie werden zum Arbeiten erzogen und zur Erfüllung ihrer Pflichten. Sie werden nicht als Individuum mit Träumen, Hoffnungen oder eigener Meinung gesehen.

Das erklärte mir auch ein Stück weit, warum die Kinder oft Mühe haben mit zum Teil einfachen Sachen, z.B. dem Ausmalen eines Bildes. Sie wollen immer wissen, welche Farben sie verwenden sollen und wollen ein „Vorbild“ damit sie wissen welche Farben benutzen. Sie hatten ja kaum Gelegenheit zum Ausprobieren und kreativ sein.

In dieser Kultur ist es auch üblich, dass der Mann keine Fehler macht, bzw immer recht hat und sich darum auch nicht entschuldigen muss/wird. Dies gibt ihm also fast uneingeschränkte Macht, vor allem in der Familie. Er kann seine Ehefrau (und auch Kinder) verprügeln und misshandeln wie er will. Solange er es nicht in der Öffentlichkeit macht, wird nichts passieren. Die Frau bekommt in der Regel sowohl von ihrer Mutter als auch Schwiegermutter zu hören, dass sie selber Schuld sei. Sie habe wohl ihren Mann nicht richtig versorgt/behandelt. 

Sollten andere Leute es mitbekommen, so könnten sie es anzeigen. Oft wird aber einfach geschwiegen.

Vielleicht klingt das jetzt als ob der Mann in dieser Kultur ein „leichtes oder einfaches Leben“ hat und machen kann, was er will. Dem ist aber nicht so. Auch er hat seine Herausforderungen. Er muss seine Familie versorgen und darf gegen aussen und anderen gegenüber keine Schwäch zeigen. Auch bei den vielen üblichen Festen ist die Anwesenheit und das Trinken von Alkohol eigentlich Pflicht. Wenn er sich weigert, könnte das ernsthafte Konsequenzen für die gesamte Familie haben.

Versteh mich bitte nicht falsch! Damit will ich in keinster Weise die verübten „Straftaten“ gutheissen oder schönreden.

Vielleicht fragst du dich jetzt: Warum verlässt die Frau ihren Mann nicht? Warum geht sie nicht zur Polizei? Warum wird es einfach von allen so hingenommen? Gibts denn keine Anlaufstellen oder Hilfsangebote diesbezüglich?

Genau diese Fragen stellte ich einer Sozialarbeiterin und sie erklärte mir folgendes (ist allgemein und bezieht sich nicht auf die Kultur der Quechua):

Die Frauen können natürlich Anzeige erstatten bei der Polizei und diese Verbrechen werden laut Gesetz auch „hart“ bestraft. ABER: Auf wen treffen sie bei der Polizei mit allergrösster Wahrscheinlichkeit?? Natürlich auf männliche Polizisten und die sympathisieren oft mit den Männern. Die Frauen bekommen somit von dieser Seite meistens keine wirkliche Hilfe. 

Es gibt in Potosí zwei Häuser, die so etwas wie Frauenhäuser sind. Allerdings sind diese Häuser bekannt. Der Mann kann also einfach dort auftauchen und seine Frau „gewaltsam“ wieder nach Hause holen. Das andere Problem ist, dass die Frau sich nur ein paar Wochen in diesen Häusern aufhalten darf und danach wieder auf die Strasse gestellt wird. Da viele Frauen die Schule oft vorzeitig verlassen, früh Kinder bekommen und keinen Beruf erlernt haben, sind sie nicht wirklich in der Lage, für sich und die Kinder zu sorgen. Sie sind  also quasi auf ihren Mann angewiesen und gezwungen, wieder zu ihm zurück zu kehren. 

Auch ist es gut möglich, dass die „Flucht“ der Frau Schande über ihren Mann und die gesamte Familie bringt. Und das ist ein nicht ganz unrelevanter Punkt, den es zu bedenken gilt in einer Kultur die stark auf Beziehungen basiert.

Und zum Schluss noch ein „interessantes“ Detail: Egal was man verbrochen hat oder wie viele Leute man ermordet hat, die maximale Gefängnisstrafe beträgt 30 Jahre. Mit den richtigen Beziehungen lässt sich aber auch diese Zeit verkürzen.

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