Kennst du den Film „Mäusejagd“?? Genau so kam ich mir in den vergangenen Wochen und Monaten vor.
Es war bereits dunkel und die Küche nur schwach beleuchtet, als ich fast über eine Maus stolperte, die just in diesem Moment beschloss, durch meine Küche zu rennen. Ich sah gerade noch, wie sie unter der Wohnungstür hindurchschlüpfte.
In den folgenden Wochen tauchte die Maus auch immer wieder in der Klinik und Wohnung auf und versetzte ein paar Mitarbeiter in Angst und Schrecken (sie hassen Mäuse!).
Wir fragten uns alle, woher die Mäuse plötzlich kamen. Für mich war der Fall jedoch klar. Die kommen vom Dach. Seit meiner ersten Nacht hier in Potosí habe ich ein Trippeln und Herumrennen auf dem Dach gehört. Die paar kleinen Löcher in Decke hatte ich sicherheitshalber abgedeckt und gedacht: „Regina, du bist jetzt in Bolivien und das scheint hier normal sein. Finde dich damit ab.“ Und genau das habe ich gemacht. Als das Team jedoch davon erfuhr, schauten sie mich erst entgeistert an und meinten dann laut lachend, dass das auch in Bolivien nicht normal sei.
Gut, aber das klärte immer noch nicht die Frage, warum sie plötzlich jetzt im Haus waren. Wie kamen sie vom Dach in die Klinik und Wohnung?
Wir wussten es nicht und legten darum grosszügig verschiedene Mäusefallen aus. Die beliebteste Mäusefalle in Bolivien scheint die Klebe-Falle zu sein. Das ist ein Stück Karton, auf dem sich ein starker Kleber befindet. Wenn die Maus darauf tritt, bleibt sie kleben. Entweder bringt man die Maus dann gleich um, oder wie es viele machen: man wartet einfach bis sie von selber stirbt und entsorgt sie dann. Ich war ja mal gespannt, ob das klappte. Ehrlich gesagt hatte ich meine Zweifel und es klang auch ein bisschen brutal.

Aber dann kam der Tag, an dem ich diese Maus definitiv lieber tot als lebendig sehen wollte. Egal wie!
Ich öffnete einer meiner Küchenschränke und sah zu meinem Entsetzen Mäusedreck. Na super. Jetzt hatte ich diese Tiere auch in meinen Vorräten! Kurzerhand räumte ich alles aus. Für die oberen Regale stieg ich auf einen Stuhl. Als ich die kleine Plastiktüte mit einem Resten Backschokolade herausnahm, passierte es. Ich hob das Säcklein hoch und dachte: Warum ist das so schwer? Im gleichen Moment bewegte es sich und in meiner Hand zappelte die Maus. Vor lauter Schreck liess ich die Schokolade und die Maus fallen und wäre selber fast vom Stuhl gefallen. Die Maus nutzte natürlich die Gelegenheit und verschwand darauf hin spurlos. Allerdings stand danach fest, dass es mindestens von der Küche her einen Zugang zum Dach geben musste, denn die Maus rannte nicht aus der Küche in die Wohnung.
Es blieb mir also nichts übrig, als sämtliche Küchenschränke auszuräumen und nach möglichen Zugängen zu suchen. Einen grossen Teil der Nahrungsmittel konnte ich dabei gleich wegschmeissen, weil die Mäuse alles angenagt hatten. Und putzen musste ich auch alles. Als ob es mir langweilig wäre und ich nichts Besseres zu tun hätte…. Aber dann musste ich doch plötzlich lachen und dachte: Wie gut dass ich in Bolivien auf 4000m.ü.M bin und nicht im Dschungel. Dort wäre es warscheinlich eine Giftschlange gewesen, die sich im Schrank versteckt hätte! Und ausserdem: Maus sei dank! Der Frühlingsputz in der Küche ist jetzt wenigstens erledigt;-)
Trotzdem war „jetzt gnueg Heu dunnä“ und ich beschloss, auf dem Dachboden nachzusehen und nach dem Zugang zu suchen. Wir kauften noch ein paar Fallen und auch Ratten-und Mäusegift und präparierten alles mit Käse und/oder Schokolade. Danach verschaffte ich mir Zugang zum Dachboden. Oh mann, ich sage dir: Dieser Dachboden ist das reinste Paradies für Nagetiere. Überall Löcher in der Mauer und der Abfall lag nur so herum. Kabel waren kreuz und quer gespannt und an dünnen Holzpfösten befestigt. Teilweise wurden die Kabel mit Klebeband repariert. Der Boden wirkte so instabil und brüchig, dass ich mich nur getraute, auf die Holzbalken zu treten und mich an diesen festzuhalten. Einige von ihnen lösten sich auch gleich aus der Verankerung. Es war eine echte Herausforderung auf dem Dachboden umherzugehen und ich fürchtete bei jedem Schritt, in meine Wohnung herunter zu fallen. Ich verstand jetzt auch, warum es so viele verlotterte, kaputte und verlassene Häuser gibt.


Ich verteilte die Mäusefallen auf dem Dachboden und fand dann auch einen möglichen Zugang. Es hatte ein Loch im Boden, neben dem neuen Wassertank. Vermutlich entstand es, als die Handwerker den Wassertank auswechselten. Es entstand ein Hohlraum und dieser führte direkt in die Küche. Tatsächlich fehlte in der Küchendecke ein Stück, welches man aber nicht sah, da es durch den Küchenschrank verdeckt wurde.
Auch ein Abflussrohr, welches bis in den Innenhof der Klink führt, scheint ein geeigneter Zugang in die Klinik zu sein.
Bis jetzt ging uns tatsächlich eine Maus auf den Kleber. Blöd nur, wenn dann genau die beiden einheimischen Mitarbeiter Dienst haben, die „Angst“ vor Mäusen haben.
Ich hatte grade frei, als es stürmisch an meiner Wohnungstür klopfte. Als ich öffnete, sprudelte es nur so aus der Ärztin heraus: „Eine Maus, es hat funktioniert, aber sie lebt noch. Komm!“ Ich ging also in die Klinik runter und tatsächlich: Da klebte eine Maus auf dem Karton. Die eine Arbeitskollegin hatte sich am anderen Ende der Klink verschanzt und die zweite versuchte ziemlich erfolglos, den Karton mit der Maus irgendwie mit dem Besen aus der Ecke und in den Abfallsack zu bekommen. Ich musste mich beherrschen um nicht laut heraus zu lachen, zog den Karton mit der Maus zwischen den Stühlen hervor, hob ihn auf und beförderte ihn in den Abfallsack. Die Kollegin, schaute mit offenem Mund zu und sagte kein Wort mehr. Nun war es eine Maus weniger.
Ich höre zwar hin und wieder immer noch Geräusche über meinem Schlafzimmer, aber immerhin hatte ich bis jetzt keine Maus mehr gesehen in meiner Wohnung. Sicherheitshalber lasse ich die Fallen aber noch eine Weil in der Wohnung verteilt.