Bevor Sara und Bryan mich nach dem Ausflug zur Uni wieder nach Hause brachten, erzählte Bryan mir, dass er Physiotherapeut sei und beim Roten Kreuz arbeite. Er ist dort „Administrator“ für die Kurse und bot mir an, mit den Dozenten zu sprechen, damit ich einen Morgen lang am Unterricht teilnehmen konnte. Da musste ich nicht zweimal überlegen und nahm das Angebot auf der Stelle an.

Und so kam es dann, dass ich ein paar Tage später mit knapp 30 Studenten/Lehrlingen in einem kleinen „Schulzimmer“ sass und auf die Dozentin wartete. Als der Unterricht dann begann, bekamen die Schüler zuerst die Prüfung vom Vortag zurück. Danach folgte die Einteilung, wer in welchem Spital/Klinik seinen Einsatz machen musste. Ich fühlte mich in meine eigene Ausbildungszeit zurückversetzt und musste mir das Lachen verkneifen. Das war ja wie bei uns dazumal bei der Praktikumseinteilung. Der reinste „Kuhhandel“. 

Das alles dauerte eine Weile, aber dafür hatte ich Gelegenheit, mit den Studierenden zu sprechen und erfuhr so einiges.

Praktisch alle erzählten mir, dass sie sehr gerne ins Ausland gehen würden zum Arbeiten und Vorwärtskommen. Der Wunsch, später wieder in die Heimat zurückzukehren, war kaum vorhanden. Ich wollte natürlich auch wissen, wie schwierig es sei, eine Stelle im Ausland zu bekommen, resp. wie und wo sie sich melden und bewerben könnten. Was ich dann zu hören bekam, stimmte mich doch ein bisschen nachdenklich:

Es gibt keine offizielle Anlaufstelle oder ein Büro für solche Jobs. Die Leute halten einfach Ausschau noch irgendwelchen Notizen an den Mauern, Strassenlampen, oder sonst wo im öffentlichen Bereich, die in etwa lauten: „Suche 5 Personen für Arbeit in Argentinien. Bitte bei XY melden“, oder „Gesucht: 2 Putzkräfte für USA. Bewerbung an XY richten.“ 

Für mich tönte das Ganze ziemlich unsicher und hochriskant. Die Lernenden, mit denen ich sprach, wurden still und meinten dann: „Ja, es birgt viele Gefahren. Und trotzdem sind viele bereit, dieses hohe Risiko einzugehen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben ist grösser.“ 

Krass! Da ist der Menschenhandel plötzlich nicht mehr einfach nur „ein weit entferntes Problem“!

In der Pause durfte ich mir auch noch den Übungsraum für den praktischen Unterricht anschauen. Dieser sah in etwa wie bei uns aus, einfach auch wieder mit deutlich älteren Geräten und Gegenständen:-)

Danach folgte dann der eigentliche Unterricht zum Thema „Geriatrie – Pflege des alten Menschen“. Dieses weitläufige Thema wurde hier in sage und schreibe 2 Stunden und 6 Seiten abgehandelt! In der Schweiz würde man damit wohl gerade ein bisschen über die Einleitung zum Thema hinauskommen.

Nach einem äusserst lehrreichen Morgen verabschiedete ich mich von den Dozenten und den Studierenden und machte mich auf den Heimweg. Ich hatte ja keine Ahnung, dass meine „Karriere“ beim Roten Kreuz noch nicht ganz zu Ende war.

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