Während unseren Kurz-Ferien in La Paz machten Katrin und ich unter anderem auch einen Abstecher ins Valle de las Ánimas (Tal der Seelen). Dieses liegt am Rand der Stadt und ist, laut unserer Führerin Sur, ein heiliger Ort für die Aymaras. Da sie Tourismus studiert und selber auch Aymara-Wurzeln hatte, wusste sie so einiges zu berichten.
Im gesamten Tal wird jede mögliche Fläche genutzt um verschiedenes anzupflanzen wie zum Beispiel Kartoffeln, Bohnen, Quinoa, … Wohnen darf jedoch niemand im Tal.
Die Berge sind die Abuelos (Grosseltern) und repräsentieren diejenigen Leute, die im Leben Gutes getan haben. Mit anderen Worten: eine gute Person wird sich nach ihrem Tod in etwas Grosses/Schönes (wie z.B. ein Berg) verwandeln und erst dann wirklich „komplett sein“. Die Aymaras können im gesamten Tal ihre Opfer darbringen. Es gibt keinen bestimmten Ort; oder eine Stelle die besser wäre als die andere. Das Wichtigste ist angeblich, dass man das Tal mit Respekt vor den Abuelos und der Pachamama betritt. Das Opfer selber ist dann nicht an die Abuelos gerichtet, sondern an Pachamama.
In Vollmondnächten werden spezielle Ritual im Tal durchgeführt, um die Leute von allen möglichen Krankheiten zu heilen. Auch viele Touristen kommen jährlich einmal hierher um sich „behandeln“ zu lassen.
Ausserhalb des Tales, in weiter Ferne, sieht man den „Zahn des Teufels“, ein markanter Berg. Stirbt ein schlechter Mensch, so bleibt seine Seele bei jenem Berg quasi hängen und er wird vom Teufel gerichtet. Diese Gegend wird in der Regel von den Leuten gemieden. Es heisst, dass man in der Dunkelheit das schaurige Stöhnen und Schreien der „unglücklichen Seelen“ hören kann. Einen Grund dorthin zu gehen gibt es allerdings: Wenn man jemanden verfluchen will, geht man zum „Zahn des Teufels“ und führt ein Ritual durch (voodoo-ähnlich).


Da wir an jenem Tag ausnahmsweise die einzigen Touristen waren, welche diese Wanderung machen wollten, kamen wir in den Genuss einer „Privattour“.
Während wir gemütlich das Tal hinaufspazierten, flog plötzlich ein Vogelpaar über unsere Köpfe und liess sich weiter vorne auf den Felsen nieder. Sur erklärte uns, dass diese Vögel typisch für die Gegend und sehr scheu seien. Sobald wir uns nähern würden, würden sie wegfliegen. Einer der Vögel blieb jedoch sitzen. Er flog auch nicht weg als wir unterhalb des Felsens an ihm vorbeigingen. Sur konnte es fast nicht glauben und machte jede Menge Fotos mit ihrer Kamera. Danach meinte sie, dass das eigentlich nicht normal sei und dass dies nur eins bedeuten könne: Das Tal hat Katrin und mich mit Wohlwollen empfangen;-)

Bald danach bogen wir auf eine Schotterstrasse ab und es ging weiter bergauf. Als wir fast am höchsten Punkt der Wanderung (für uns eher ein Spaziergang) angekommen waren, trafen wir auf einen Bauern, der sein Land bewirtschaftete. Wir grüssten ihn und hielten kurz an, um die Aussicht zu bestaunen und Fotos zu machen. Der Bauer forderte uns auf, über sein Land zu gehen und auf einen kleinen Hügel zu steigen. Als wir dort waren, meinte er: „Nein, nein. Ihr müsst weiter gehen.“ , und zeigte auf die Felsen dahinter. So toll! Wir durften da wirklich hochkraxeln!:-)
Sur wollte von alledem aber nichts wissen. Es sei zu gefährlich;-) Wie du dir denken kannst, liessen wir uns die Gelegenheit aber nicht nehmen und stiegen trotzdem hoch, während Sur unten wartete. Es war wirklich ein Kinderspiel und die Aussicht oben war genial! Ein toller Rundblick!
Sur konnte doch nicht einfach unten warten und alles verpassen. Ich stieg also die paar Meter wieder herunter und motivierte Sur dazu, auch hochzukommen. Sie wollte erst nicht, liess sich dann aber doch dazu überreden und kam mit hoch. Oben war sie dann auch hin und weg. Ich weiss beim besten Willen nicht, wer mehr Fotos machte: Wir oder Sur:-)



Während des restlichen Spazierganges betonte sie noch ein paar mal, dass sie so etwas noch nie erlebt hätte. Erst der Vogel, der sitzen blieb und dann noch die Erlaubnis auf die Felsen klettern zu dürfen und die Aussicht anzuschauen. Viele Bauern mögen es nämlich nicht, wenn Touristen in ihr heiliges Tal kommen.
Für Sur war nun definitiv klar, dass das Tal der Seelen uns beide mehr als nur Willkommen geheissen hatte. Wir beide waren da allerdings ein bisschen anderer Ansicht;-)
