Wir hatten soeben das Kinderprogramm auf dem Cerro beendet und warteten auf das bestellte Taxi, welches uns und die Materialboxen wieder in die Stadt bringen sollte. Ein paar Minuten später kam es dann auch tatsächlich und wir quetschten uns zu fünft ins Auto. Wir waren noch nicht lange unterwegs, als der Taxifahrer plötzlich sagte: „Hier sind sie!“ und seine ganze Körperhaltung versteifte sich. Ich verstand erst gar nicht, was er meinte. Alles was ich sah, war ein anderes Taxi ca 200m vor uns, aus dem eine Gruppe Minenarbeiter stieg. Oder so schien es zumindest. Der Taxifahrer erklärte uns aber sofort, dass das keine Minenarbeiter seien, sondern eine Gruppe Jucus (Räuber).  Sie stiegen zu den kleinen Häuschen und dem Mineneingang hinauf, die sich vielleicht 2 Meter über der Strasse befanden. Unser Taxi musste an ihnen vorbeifahren. Es herrschte Totenstille im Auto während wir die paar Häuschen passierten. Nur ein paar Meter entfernt stand die Gruppe und starrte uns unverholen an. Als wir etwas Distanz zwischen uns und der Bande hatten, wurde der Fahrer plötzlich gesprächig und erzählte uns mehr über die Jucus. 

Sie kleiden sich wie normale Minenarbeiter um nicht aufzufallen, haben normalerweise aber keinen Helm mit Stirnlampe dabei. Ein Minenarbeiter hat aber immer einen Helm mit Lampe dabei. 

Die Banden bestehen in der Regel aus jungen Männern (manchmal noch Jugendliche), die alle aus dem gleichen Familien-Clan kommen. Also Brüder, Cousins, Neffen etc. Oft werden sie von den Frauen der Familie losgeschickt und sie sagen den Banden auch, was sie stehlen sollen.

Gestohlen wird vor allem Mineral, Werkzeug und Maschinen, je nach dem ob sie ein Auto auftreiben konnten für den Abtransport oder nicht.

Das Vorgehen der Jucus ist in der Regel immer gleich. Die Familie oder die Aufseherperson der Mine wird in ihr Haus (eher Lehmhütte) eingesperrt. Die Tür oder Türöffnung der Hütte wird von aussen verschlossen und verbarrikadiert und dann räumen die Jucus die Minen aus.

Angst oder Bedenken vor einem möglichen erwischt werden, haben sie nicht. Die Polizei ist auf dem gesamten Cerro nicht anwesend, es wird auch nicht patroulliert. Wenn die Polizei doch gerufen wird und auch tatsächlich hochkommt, wird einfach ein mehr oder weniger fixer Betrag an die Polizei bezahlt und dann zieht sie wieder ab. 

Die bolivianischen Gesetze kommen hier nicht zur Anwendung. Es gibt kein Gesetz, ausser dem Gesetz des Stärkeren.

Ein Gedanke zu “Mit eigenen Augen gesehen”
  1. Liebe Regina,
    es ist immer wieder eindrücklich, deine Berichte zu lesen und von dir und deinem jetzigen Leben zu erfahren. Deine Erzählungen zeugen von deiner Offenheit dem Neuen gegenüber: wachsam, oft mit einer Prise Selbstironie und einem freundlichen Augenzwinkern der Situation gegenüber; bereit zu lernen und dich zu investieren, und das stets mutig und in Abhängigkeit von unserem allmächtigen Gott, der dich gebrauchen will. Wunderbar! 
    Herzlichen Dank, Regina, dass du uns durch diese Berichte an deinem Leben in Potosí ein Stück weit teilhaben lässt. Sei lieb gegrüsst und der Herr behüte dich, Gabriela (CVD)

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