Meine beiden bolivianischen Arbeitskolleginnen haben mir wieder einmal kulturellen Nachhilfeunterricht gegeben und mich in die bolivianische Denkweise bezüglich Krankheit und Ursache mitgenommen (natürlich trifft das nicht auf jede Person zu!). Dank ihnen kenne ich nun ein paar „Hausmittelchen“ und weiss, was ich auf der nächsten Busfahrt zu tun habe. 

  • Allgemein bekannt ist hier, dass man sich eine Erkältung oder Grippe einfängt, wenn man bei kühlem Wetter Eiscreme oder kalte Getränke zu sich nimmt. Das Konzept von Bakterien und Viren scheint wenig bis gar nicht bekannt zu sein. Irgendwie verständlich, da man diese kleinen Dinger ja auch nicht sieht;-)
  • Wenn man starken Husten hat, so sollte man Eiklar trinken. Das beruhigt einerseits den Husten und hilft andererseits, den Schleim abzuhusten.
  • Der Yatiri ein hier ein allgemeiner Begriff für den Zauberer/Heiler (ursprünglich aber eine bestimmte Gruppe von Wahrsagern unter den Aymaras) und wird bei Krankheit aufgesucht. Angeblich werden viele Leute nach seiner „Behandlung“ auch tatsächlich gesund. Warum die Leute lieber einen Yatiri aufsuchen, ist einfach und irgendwie auch verständlich. Das Gesundheitssystem ist hier extrem kompliziert und zeitaufwendig. Man muss zuerst lange anstehen, um mit ein bisschen Glück nur mal einen Termin zu bekommen. Der ist dann aber auch erst in ein paar Tagen. Dann bekommt man vom Arzt zu hören, dass man gewisse Laborwerte, ein Röntgenbild oder sonst was braucht. Dafür muss man an den entsprechenden Ort gehen, einen Termin machen und vielleicht eine Woche später ist man wieder beim Arzt. Dieser verweist dann aber auf einen Spezialisten was natürlich wieder dauert. Bis man eine „Diagnose“ oder Behandlung bekommt, dauert es locker bis zu einem Monat. In dieser Zeit helfen die Mittelchen vom Yatiri auch und man ist wieder gesund. Oder der Körper mit seinem Abwehrsystem hat in dieser Zeit ganze Arbeit geleistet und „sich selber geheilt“. 
  • Das Blut eines schwarzen Hahnes soll angebliche wirksam sein gegen Anämie (Blutarmut)
  • Warum manche Leute sich bei nächtlichen Busfahrten in hohen Höhen so gut einpacken wie auf einer Antarktisexpedition hat auch seine Gründe: Sie fürchten sich vor dem Liki`chiri! Der Liki`chiri ist angeblich ein Geist oder Dämon, welcher sich in den Bus schleicht und bei den schlafenden Gästen mit einem „Stich oder Biss“ meist in die Hals-/Nackenregion das Fett aussaugt. Die Leute nehmen dadurch ungewollt ab, fühlen sich zunehmend kraftlos und schwach und schwinden langsam dahin bis sie schliesslich sterben. Ein wirklich hilfreiches Mittel gegen den Liki`chiri gibt es nicht. 
  • Eine Katze zu besitzen kann gleich in mehreren Hinsichten sehr wertvoll sein: Man sagt, dass die Katze merkt, wenn es einer Person nicht gut geht oder sie bald stirbt. Die Person selber ist sich dabei aber nicht bewusst, dass sie krank ist oder im Begriff steht zu sterben. Die Katze hat die Möglichkeit/Fähigkeit für diese Person zu sterben. Es kann daher sein, dass jemand am Morgen aufwacht und seine Katze ist unerwartet gestorben. Für die Person ist das dann ein Zeichen, dass irgendwas nicht in Ordnung war/ist und sie eigentlich hätte sterben sollen, aber die Katze hat die Person gerettet. 
  • Das Blut einer Katze kann möglicherweise gegen den Liki`chiri helfen; oder gegen die Symptome, welche von diesem hervorgerufen werden.
  • Gegen Fieber hilft eine Mischung aus Salz und dem Schleim der Aloe-Vera-Blätter, welche man sich auf den Nacken streicht.

Bei alle dem ist es nun nicht mehr verwunderlich, wenn die Patienten keinen Arzt aufsuchen, oder viel zu spät. Und wenn sie die verordneten Tabletten nicht mehr einnehmen, so kann es daran liegen, dass sie kein Geld haben, um welche zu kaufen, die Apotheke das benötigte Medikamente nicht an Lager hat, oder dass die nächste Apotheke einfach zu weit weg ist. 

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