Gleich am ersten Tag nach meiner Ankunft in Bolivien wurde ich um 7:30 Uhr von einer Anwältin abgeholt, die mir beim Besorgen des Visums behilflich sein würde.
Ich hatte keine Ahnung was auf mich zukommen würde und vielleicht war das auch besser so.
Wir fuhren direkt zum ersten Büro. Bevor wir aber eintraten, schickte sie mich in einen kleinen Foto-Laden weil noch Fotos benötigt wurden. Währenddessen verschwand sie mit meinem Pass, kehrte aber nach einer Weile zum Glück wieder zurück und zusammen gingen wir ins gegenüberliegende Gebäude, eine Art Polizeistation. Dort musste ich irgendwelche Papiere unterschreiben, die dann abgegeben wurden damit von mir so was wie ein Strafregister-Auszug von der „Drogen-Polizei“ beantragt werden konnte. Am nächsten Schalter wurde dann ein Strafregister-Auszug für alle anderen möglichen Verbrechen bestellt.
Weiter ging es mit dem Auto durch die halbe Stadt zum nächsten „Büro für Einreise“. Die Leute in dieser Wartehalle sassen entweder oder standen herum. Für mich war es ein Ding der Unmöglichkeit, irgendwie herauszufinden, wer als nächstes dran war oder wer für welchen Schalter anstand. Die Anwältin wusste aber genauestens Bescheid und befahl mir, mich auf einen freien Stuhl in der Nähe der Schalter zu setzen. Kurz darauf wurde ein Stuhl in der vordersten Reihe frei und ich musste mich schnell dorthin setzen. Innert wenigen Minuten waren wir dann an der Reihe. Offenbar kam es irgendwie darauf an, wer auf welchem Stuhl in welcher Reihe sass, das war zumindest die Erklärung der Anwältin.
Danach folgte ein Besuch in der Klinik, welche von der Polizei betrieben wird und extra für all diejenigen Leute ist, die ein Visum brauchen. Ich musste eine Blut-und Urinprobe abliefern und ein Röntgenbild der Lunge machen lassen. Das alles lief ein bisschen gewöhnungsbedürftig ab und die Apparate sahen ziemlich alt aus. Die Blutentnahme war wohl die schmerzhafteste, welche ich je erlebt hatte und die Einstichstelle tat selbst Tage später noch weh. Die Nadel war ziemlich dick und die Angestellte suchte sich natürlich die dünnste Vene aus. Einen knappen Zentimeter daneben wäre die perfekte Vene zum Abnehmen von Blut gewesen. Aber anscheinend tastet man hier nicht nach Venen, sondern sticht einfach dort rein, wo man eine sieht. Entsprechend schwierig war es dann auch um Blut zu bekommen.
Anschliessend sollte noch ein „Gespräch“ mit einem Arzt stattfinden. Da die Anwältin aber noch einen anderen Termin hatte, sprang kurzerhand ihr Mann ein. Der war zwar kein Anwalt, kannte aber die Arbeit seiner Frau und wusste, was er machen musste; so wurde mir zumindest gesagt. Das einzige, was er nicht machen konnte für seine Frau, war, mich zum Gespräch mit dem Arzt zu begleiten.
Da sass ich nun mit einem wildfremden Mann im düsteren Flur der Klinik und wartete auf den Besuch beim Arzt. Als es dann soweit war, wurde ich in ein spärlich beleuchtetes Zimmer gebeten. Darin waren 2 Ärzte und ein Pfleger anwesend. Ehrlich gesagt war ich alles andere als entspannt. Natürlich folgte auch keine Erklärung, was mit mir gemacht werden würde und mit was ich zu rechnen hatte.
Zuerst wurden einfach mal die Vitalzeichen genommen (Blutdruck,Puls, Grösse, Gewicht etc) und dann folgte die „Befragung“, natürlich auf Spanisch. Alles mögliche was irgendwie mit meiner Gesundheit zu tun haben konnte, Allergien, Operationen, familiäre Risikofaktoren, Beruf, psychische Probleme, etc.
Nach all den Fragen meinte der Arzt dann noch, dass ich etwas nervös sei, worauf ich es natürlich nicht mehr unterlassen konnte, ihm zu erklären, dass ich noch keine 24h in Bolivien sei, in einer Fremdsprache ausgefragt werde und absolut keine Ahnung hatte, wozu das gut sein soll und was sonst noch alles kommen würde. Das schien er immerhin ein bisschen zu verstehen, denn daraufhin änderte sich sein Tonfall.
Zum Schluss begann er noch, mir die zuvor gemessenen Werte zu erklären, was es mit dem errechneten BMI-Wert (Body-Mass-Index) auf sich hatte und etwas zur Höhenkrankheit; alles mit einer schönen Skizze. Mittendrin hielt er jedoch plötzlich inne, schaute mich leicht unsicher an und meinte nur: „Aber Du bist ja Krankenschwester und weiss das sicher schon alles. Da muss ich ja gar nichts mehr erklären.“ Ich hätte am liebsten laut herausgelacht so komisch und surreal war die ganze Situation.
Als der Klinikbesuch endlich zu Ende war, fuhr ich mit dem Mann der Anwältin per Taxi ins nächste Büro, wo kurz darauf die Anwältin wieder zu uns stiess.
Der nächste Tag ging im gleichen Stil weiter: von einem Büro/Polizeistation zur nächsten, noch mehr Papiere unterschreiben, Kopien erstellen, Fingerabdrücke erfassen, bei der Polizei Fotos von allen Seiten machen lassen, etc.
Ich war einfach nur froh, dass die Anwältin so zielstrebig vorwärts machte und auch teilweise die Leute kannte.
Nun sind alle nötigen Papiere beantragt und sollten in den kommenden Tagen als kompletter Antrag auf dem Schreibtisch der „Einreisebehörde“ landen. Abhängig davon, welcher Beamte dann meine Papiere durchschaut und (hoffentlich) bewilligt, kann es 3-6 Wochen dauern bis ich Bescheid bekomme. Vielleicht aber auch länger;-) So genau weiss das niemand. Jetzt heisst es also erst einmal abwarten.